Lieder von Werner Richard Heymann op.1 u. op.7, Pierrot Lieder für das Kabarett der frühen 20 ziger und Filmschlager und von Max Kowalski 12 Gedichte des Pierrot Lunaire op.4 – am Klavier: Sebastian Kennerknecht
Kaum ein Charakter der Commedia dell’Arte hat bis heute eine so nachhaltige Wirkung auf die Kunstszene wie der Pierrot. Obwohl er zur Blütezeit der Commedia aufgrund seiner Langsamkeit auf den Strassenbühnen nicht so beliebt war, traf er später den Zeitgeist der Romantik, war Sinnbild der Jahrhundertwende um1900, Symbol der Bohème, dem Künstler, der nachts arbeitet, sich inspiriert, im Caféhaus seinen Tag verbringt. Die Figur des Pierrots ist gleichzeitig Ausdruck der Dekadenz und Todessehnsucht der gehobenen Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhundert.
Fanny von Reventlow (1871-1918) Schriftstellerin, Geliebte von Rilke und Wedekind- Vorbild seiner Lulu, liebte es, als Pierrot verkleidet, abends in Gesellschaften zu erscheinen. Max Kowalski (1882-1956) sowie auch Werner Richard Heymann (1896-1961) waren von dieser Figur fasziniert, sogen diese ausgehende Ära mit ihren Schriftstellern, Malern, Musikern vor den beiden Weltkriegen als junge Männer in sich auf.
Wer kennt den Namen Werner Richard Heymann? Er ist der Komponist, der den deutschen Tonfilm erfand und entscheidend prägte. Seine Schlager aus Filmen wie „Die drei von der Tankstelle“ oder „Ein blonder Traum“ sind weltberühmt, unzählige Male interpretiert, u.a. von den Comedian Harmonist. 1933 verließ er Deutschland. Er komponierte weiter in Hollywood und kehrte 1946 zurück nach Deutschland. Aber es blieb der Bruch in seiner Biografie, der nie heilen durfte, seinen Namen vergessen ließ. Die Schlager leben weiter. Aber sein Oeuvre ist viel umfassender. In seinen beiden Liederzyklen aus dem Jahre 1916 und 1919 stellt er sich als begabter klassischer Komponist vor. Sie sind auf keiner Aufnahme bisher zu finden und voller Poesie und Schönheit. Er vertont R.M. Rilke, Klabund und Gedichte seines im 1. Weltkrieg gefallenen Bruders Walter Heymann. Außerdem gibt es von ihm unzählige Lieder für das Kabarett, die das Leben der 20ziger Jahre in Berlin widerspiegeln.
Max Kowalski, Rechtsanwalt, Sänger und Komponist, war ein enger Freund Arnold Schönbergs, der seine musikalischen Werke sehr schätzte. Er wurde 1938 in das KZ Buchenwald deportiert. Dadurch versuchten die Nazis ihn zur Auswanderung zu erpressen, um so sein Vermögen konfiszieren zu können. 1939 verließ er Deutschland und ging nach England ins Exil. Seine Frau nahm sich nach Internierungen in verschiedenen Konzentrationslagern 1938 das Leben. Max Kowalski hielt sich als Klavierstimmer, Synagogensänger und Gesangslehrer in London über Wasser, wo er 1956 verstarb. Mit der Darbietung des musikalisch hochinteressanten spätromantischen Zyklus „Pierrot Lunaire“ holen wir einen wahren Schatz der Musikgeschichte wieder ans Licht der Öffentlichkeit. Es sind die somnambulen Verse des belgischen Dichters Albert Giraud (1860-1929). Der Berliner Bohemien Otto Erich Hartleben (1864-1905) hat sie ins Deutsche übersetzt.